Die DGNR und DGN stellen gemeinsam fest: Positive Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie können die Patientenversorgung dauerhaft verbessern. Bei akuten neurologischen Erkrankungen sollte die Bedarfsprüfung durch die Krankenkassen vor Verlegung in die Neurorehabilitation dauerhaft abgeschafft werden.

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Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn,

das deutsche Gesundheitssystem gehört sicherlich zu einem der leistungsfähigsten weltweit. Leider gibt es insbesondere an Schnittstellen immer noch bürokratische Hindernisse, die die Funktionsfähigkeit einschränken. Angesichts der Covid-19Pandemie wurden viele dieser Hürden abgebaut, um die drohend hohe Patientenzahl effektiv behandeln zu können. Jetzt gilt es, aus den gemachten Erfahrungen zu lernen und zu prüfen, welche dieser Regelungen zum Wohle der Patienten beibehalten werden sollten.

In der Pandemieplanung wurden sinnvollerweise nicht nur die Akutkrankenhäuser, sondern auch die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen berücksichtigt. Ein wesentlicher Faktor für die rasche Entlastung der Akutkrankenhäuser war die befristete Aufhebung des sogenannten Bewilligungsvorbehaltes. Bisher war es so, dass Patienten im Anschluss an eine akute Erkrankung vor Verlegung in die Rehabilitation erst eine schriftliche Bewilligung ihrer zuständigen Krankenkasse erhalten mussten. Die Prüfung dieses Anliegens dauerte in der Vergangenheit – abhängig von der prüfenden Kasse – bis über eine Woche, in der die Patienten entweder im Krankenhaus verbleiben mussten, oder temporär in Übergangslösungen entlassen wurden, z. B. eine Kurzzeitpflege. Dabei ist die Notwendigkeit der inhaltlichen Prüfung in diesen Fällen nicht nachzuvollziehen. Es gibt wenig vernünftige Gründe, beispielsweise Patienten mit einem Defizit nach einem Schlaganfall keine neurologische Rehabilitation zukommen zu lassen. Vielmehr ist es so, dass durch den Bewilligungsvorbehalt und dadurch bedingte administrative Verzögerungen Krankenhausaufenthalte unnötig verlängert werden und wichtige Zeit für einen möglichst frühen Beginn der Rehabilitation verloren geht. Konsequenterweise wurde daher diese Regelung während der Covid-19-Pandemie außer Kraft gesetzt. Verlegungen von Akutkrankenhäusern in die Rehabilitation waren nun ohne vorherige Prüfung der Krankenkasse möglich. Diese Regelung galt zunächst befristet bis zum 30.04.2020 und wurde aufgrund der positiven Erfahrungen bis zum 31.05.2020 verlängert.

Im aktuell gültigen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) ist der Bewilligungsvorbehalt lediglich für die Verordnung einer geriatrischen Rehabilitation aus dem vertragsärztlichen Umfeld aufgehoben. Die viel relevantere Verordnung der fachspezifischen Behandlung im Anschluss an eine akute Erkrankung ist bisher nicht berücksichtigt.

Die Erfahrungen mit dieser vereinfachten Form der Verlegung im Rahmen der Pandemie waren durchweg positiv. Patienten konnten zeitnah ohne bürokratische Hürden und Verzögerungen die optimale Behandlung erhalten. Sowohl die vorbehandelnden Krankenhäuser als auch die Rehabilitationseinrichtungen hatten eine Planungssicherheit über Verlegungszeitpunkte, da diese nun ausschließlich medizinisch definiert werden konnten.

Angesichts der durchweg positiven Erfahrungen mit der Aufhebung des Bewilligungsvorbehalts für fachspezifische Anschlussheilbehandlungen im Rahmen der COVID-Pandemie empfehlen wir dringend, diese auch dauerhaft zum Wohle der Patienten in die Regelversorgung zu übernehmen und gesetzlich zu verankern.

Für Rückfragen stehen wir jederzeit sehr gerne zur Verfügung.

Prof. Dr. med. Thomas Mokrusch
Past Präsident